Silicon Saxony Unternehmen arbeiten gemeinsam an der ressourceneffizienten Sub-Fab

28. November 2024. Energie, Wasser, Chemikalien, Strom – die Mikroelektronik ist eine ressourcenintensive Branche mit ehrgeizigen Umwelt- und Nachhaltigkeitszielen. Immer sparsamer soll die Produktion von Mikrochips werden. Mit dem Startup algorismic bietet nun erstmals ein Unternehmen eine herstellerunabhängige Open Source Software Lösung für alle Maschinen- und Anlagen einer Sub-Fab an. Eine Errungenschaft, die durch die enge Zusammenarbeit unterschiedlichster Unternehmen im Cluster Silicon Saxony erst möglich wurde. 

Visualisierung Subfab 360 ATC

Silicon Saxony ist der europäische Standort der Mikroelektronik-Branche. Jeder dritte in Europa produzierte Chip wird hier gefertigt. Mit Robert Bosch Semiconductor Manufacturing, Infineon, GlobalFoundries, X-FAB und SAW Components finden sich im Freistaat Sachsen, genauer in dessen Landeshauptstadt Dresden, bereits jetzt fünf etablierte Halbleiterwerke – sogenannte Fabs. Jede dieser Fabs hat eine unterschiedliche Größe, eine andere Bauart und ist verschieden alt. Mit dem 10 Mrd. Euro teuren Neubau von esmc (European Semiconductor Manufacturing Company) – einem Konsortium aus TSMC, Bosch, Infineon und NXP – und dem neuen Werk von Jenoptik befindet sich derzeit die sechste und siebte Fab des Standortes im Bau.

Eine Fab in der Fab – Versorgung und Entsorgung als Kernthemen der Sub-Fab

Trotz ihrer Unterschiede eint dabei alle Halbleiterwerke eines: nämlich der mal mehr, mal weniger große Maschinen-, Anlagen- und Versorgungspark, der weitestgehend verborgen, die eigentliche Produktion der Mikrochips in Reinräumen erst ermöglicht – die sogenannte Sub-Fab. Wie es ihr Name bereits vermuten lässt, befindet sich die Sub-Fab unterhalb der eigentlichen Halbleiter-Produktionsstrecke. Sie versorgt die Anlagen und Maschinen der Chipproduktion mit allem Notwendigen – von Frisch- und Kühl-Wasser über Chemikalien bis hin zum Strom. Nicht zuletzt entsorgt die Sub-Fab auch all jene Stoffe und Materialien, die in der Halbleiterproduktion entstehen – von Abwasser über Chemikalien bis hin zu Abgasen. Während der Blick in die Reinräume der hochautomatisierten Mikroelektronikproduktion vielen Menschen inzwischen bekannt sein dürfte, haben von der Sub-Fab die meisten noch nie etwas gehört, gelesen oder gesehen.

Die Sub-Fab – eine planerische Herausforderung mit Tausenden Leitungen und Maschinen

Die Sub-Fab-Versorgungsebene mit der eigentlichen Produktionsebene effizient zu verknüpfen ist eine planerische Meisterleistung. Nur wenige hochbezahlte Spezialist:innen weltweit sind dazu in der Lage. Denn anders als in der Produktionsebene treffen hier die unterschiedlichsten Medien, Gefahrenstoffe und Ressourcen auf kleinstem Raum aufeinander. Teilweise mehr als 3.000 Pumpen, 2.000 Abgasanlagen sowie Tausende Kühler, Versorgungs- und Stromleitungen müssen so geplant und schließlich platziert werden, dass sie sich gegenseitig nicht beeinflussen oder sogar gefährden und dennoch den eine Etage höheren Produktionsmaschinenpark optimal versorgen. Unterschiedlichste Chemikalien, Strom, Abgas, Brauch- und Reinstwasser, Brenner und Kühler gilt es hierfür auf wenigen Quadratmetern bestmöglich zu platzieren. War diese planerische Herausforderung in der Vergangenheit erledigt, verschob sich der interne Fab-Fokus zumeist auf den darüberliegenden hochreinen Produktionsbereich. Ein Großteil der Versorger, Maschinen und Anlagen der Sub-Fab liefen dann 24 Stunden täglich an sieben Tagen in der Woche unter Volllast. Allein Service und Reparatur sorgten für minimale Unterbrechungen und gelegentlichen Stillstand.

Umweltanforderungen treffen auf Nachhaltigkeitsziele – Maschinen „dimmen“ mit Software

In Zeiten des Klimawandels, von Environmental Social Governance (ESG) und dem über allem thronenden Nachhaltigkeits- und Umweltschutzgedanken scheint diese Herangehensweise mittlerweile in die Jahre gekommen. Zunehmend stellt sich die Frage, wie höchste Umweltanforderungen erfüllt werden können und sich gleichzeitig wichtige Ressourcen, wie Wasser, Strom oder Chemikalien in den Fabs und damit auch in der Sub-Fab einsparen lassen. „Je nach Alter und Bauart der Fabs sind die Maschinen- und Anlagenparks der Sub-Fab sehr verschieden. Brenner, Kühler, Pumpen und Versorger unterschiedlichster Hersteller und Baujahre müssen aktiv gesteuert bzw. flexibel „gedimmt“ werden, um wirkungsvoll Ressourcen zu sparen. Das ist gerade in älteren Fabs ein schwieriges Unterfangen. Denn hierfür wird der Zugriff auf verschiedene Kommunikationsprotokolle unterschiedlichster Maschinen und Anlagen benötigt bzw. ist der Abgleich zwischen den Anforderungen der Produktion und den sich daraus ergebenden Anforderungen in der Sub-Fab notwendig“, erklärt Stefanie Hammer, Geschäftsführerin des Dresdner Software-Startups algorismic. Stefanie Hammer und ihr Team stellten sich erfolgreich dieser Herausforderung. Das Startup bietet inzwischen die weltweit erste herstellerunabhängige Open Source Software, mit der sich nahezu alle Maschinen und Anlagen in der Sub-Fab flexibel und ressourcenschonend steuern bzw. sich ohne technische Nachrüstung sowie damit verbundene Ausfallzeiten anpassen lassen. Hierfür gleicht die Software jene Daten aus der Produktion mit Daten der Maschinen und Anlagen in der Sub-Fab ab, regelt letztere bedarfsgerecht.

„Je nach Alter und Bauart der Fabs sind die Maschinen- und Anlagenparks der Sub-Fab sehr verschieden. Brenner, Kühler, Pumpen und Versorger unterschiedlichster Hersteller und Baujahre müssen aktiv gesteuert bzw. flexibel „gedimmt“ werden, um wirkungsvoll Ressourcen zu sparen. Das ist gerade in älteren Fabs ein schwieriges Unterfangen. Denn hierfür wird der Zugriff auf verschiedene Kommunikationsprotokolle unterschiedlichster Maschinen und Anlagen benötigt bzw. ist der Abgleich zwischen den Anforderungen der Produktion und den sich daraus ergebenden Anforderungen in der Sub-Fab notwendig“

… erklärt Stefanie Hammer, Geschäftsführerin des Dresdner Software-Startups algorismic. Stefanie Hammer und ihr Team stellten sich erfolgreich dieser Herausforderung. Das Startup bietet inzwischen die weltweit erste herstellerunabhängige Open Source Software, mit der sich nahezu alle Maschinen und Anlagen in der Sub-Fab flexibel und ressourcenschonend steuern bzw. sich ohne technische Nachrüstung sowie damit verbundene Ausfallzeiten anpassen lassen. Hierfür gleicht die Software jene Daten aus der Produktion mit Daten der Maschinen und Anlagen in der Sub-Fab ab, regelt letztere bedarfsgerecht.

Eine Entwicklung der ADG Automatisierung Dresden GmbH wird zum Gamechanger

Basis der von algorismic weltweit angeboten Open-Source-Softwarelösung „Subfab 360 ATC“ ist dabei eine von der ADG Automatisierung Dresden GmbH – einem Silicon Saxony Mitglied – entwickelte Steuersoftware für Anlagen und Maschinen. Dieses hochinteressante Produkt stellte ADG vor einigen Jahren der DAS Environmental Expert GmbH (DAS) – ebenfalls ein Silicon Saxony Mitglied – vor. Stefanie Hammer, damals noch Mitarbeiterin bei DAS und eine erfahrene Halbleiter- sowie Sub-Fab-Spezialistin, erkannte das Potenzial dieser Lösung – u.a. auch für die Produkte und Lösungen von DAS bzw. für die Anlagen und Maschinen der DAS-Kunden allgemein. Die ersten Verhandlungen zwischen Hammer und ADG verliefen vielversprechend. Einer Übernahme standen schließlich nur eine intensive funktionale Prüfung sowie der Blick in den Code der Softwarelösung im Weg. Hier sollten weitere Mitglieder des Silicon Saxony dem Startup unterstützend zur Seite stehen. Mit der DevBoost GmbH trat Stefanie Hammer in einem ersten Schritt an ein erfahrenes Software-Unternehmen des Standortes heran und ließ die zum Kauf angebotene Open Source Software auf Herz und Nieren prüfen. Das Team von DevBoost ist auf die Analyse, Bewertung und systematische Weiterentwicklung bestehender Produkte und Entwicklungsprozesse von Softwareherstellern spezialisiert und konnte so das passende Know-How für diesen Auftrag einbringen.

Silicon Saxony Unternehmen unterstützen das Startup algorismic in der Software-Begutachtung

„Unsere Aufgabe war es, die Softwarelösung der ADG Automatisierung Dresden GmbH intensiv zu analysieren. Dies umfasste Qualitätskriterien der Architektur, des Softwarecodes sowie der Art und Weise wie Systemfunktionalitäten entwickelt, getestet und dokumentiert werden. Wurden etablierte Standards der Softwareentwicklung eingehalten? Verbergen sich Risiken im Softwaresystem, müssen z.B. größere Investitionen getätigt werden, um Sicherheit oder Funktionalität zu gewährleisten? Welche Technologien wurden eingesetzt und wie aufwendig werden sich künftige Anpassungen gestalten?“, umreißt Dr. Tobias Nestler, Geschäftsführer der DevBoost GmbH, die Inhalte der Qualitätsprüfung. In Form von Fragenkatalogen, Code-Reviews und gemeinsamer Workshop-Sessions wurden die notwendigen Erkenntnisse erarbeitet und diskutiert. Die Ergebnisse der technischen Analyse waren schnell geliefert und zeichneten ein durchweg positives Bild. Stefanie Hammer erhielt die gewünschte Bestätigung, den eingeschlagenen Weg weiter zu verfolgen. Allein einen letzten Langzeittest der Software-Lösung galt es in einer der hiesigen Sub-Fabs noch zu organisieren. Und auch hier wurde man im Netzwerk des Silicon Saxony schnell fündig. Eines der sechs am Standort Dresden aktiven Halbleiterunternehmen erklärte sich zu einem Test der Lösung unter Live-Bedingungen bereit. Dieser sollte im Jahr 2022 an zwei Prozessanlagen – einem Ätzer und einem Ofen – mit Sub-Fab-Geräten beginnen und bis Ende 2023 bemerkenswerte Ergebnisse liefern.

Feldstudie bestätigt die Fähigkeiten der Lösung und zeigt enorme Einsparpotenziale auf

Brenngas, Strom, Druckluft, Lauge, Kühl- und Frischwasser – die beiden mit der neuen Softwarelösung von algorismic und auf Grundlage der aktuellen Produktionsdaten gesteuerten Maschinen reduzierten ihre Verbräuche um bis zu 68 Prozent. Seit 2022 laufen beide Anlagen im Dauertest und das ohne jegliche Probleme. Die operativen Kosten konnten damit ebenso verringert werden, wie es gelang die Ressourcen- und Energieeffizienz erheblich zu steigern. Zudem liefert die neue Softwarelösung von algorismic ganz nebenbei wertvolle Einblicke in die Verbräuche der Sub-Fab und deren einzelner Komponenten. Inzwischen ist auch algorismic ein Mitglied des Silicon Saxony und stellte seine Softwarelösung u.a. im Rahmen des Silicon Saxony Day, der SEMICON Taiwan und der SEMICON Europa in München einem breiten Publikum vor.

Einsparpotential Subfab

algorismic baut die eigene Datenbank aus und bindet nahezu alle Sub-Fab-Komponenten ein

Bis heute präsentierte Stefanie Hammer allen großen Halbleiterherstellern der Welt ihre „Subfab360 ATC“-Lösung. Flexibel konfigurier- und integrierbar bietet sie für Sub-Fabs jeder Größe und jeden Alters eine nachhaltige und ressourcenschonende Alternative zur Modernisierung des jeweiligen Anlagen- und Maschinenparks. „Wir haben unser Team inzwischen erweitert und mit erfahrenen Softwarespezialisten und im Bereich Projektmanagement verstärkt. Dank der Unterstützung unserer Netzwerkpartner ADG Automatisierung Dresden, DAS Environmental Experts, DevBoost und dem großen Halbleiterhersteller ist es uns gelungen, eine zuverlässige, herstellerunabhängige sowie hocheffiziente Maschinen- und Anlagensteuerung bereitzustellen, die in jeder Sub-Fab signifikante Einsparungen ermöglicht und endlich Transparenz in diesen bisherigen „Blind Spot“ von Halbleiterwerken bringt. Mit minimalem Aufwand und Kosten können wir alle Komponenten der Sub-Fab in unsere Lösung einbinden bzw. haben dies dank unserer stetig wachsenden Datenbank bereits getan. Von einigen Dutzend bis einigen Tausend Maschinen und Anlagen lassen sich nunmehr Sub-Fabs jeder Größe und jeden Alters nachhaltiger und ressourcenschonender betreiben.

Damit ist algorismic ein herausragendes Beispiel, wie die Zusammenarbeit unterschiedlichster Unternehmen und Kompetenzfelder in einem Cluster wie Silicon Saxony exzellente Lösungen zu Tage bringen kann. Wenn Start-ups, kleine und mittlere sowie große Unternehmen kooperieren, sich die Bereiche Mikroelektronik, Software sowie Maschinen- und Anlagenbau gegenseitig unterstützen, entstehen Innovationen, die weltweit Dinge zum Besseren verändern. Ressourcen-Einsparungen von bis zu 68 Prozent machen nicht nur die Mikroelektronik kosteneffizienter, sondern vor allem auch umweltschonender und nachhaltiger. Für eine Branche wie die Halbleiterei, die sich nicht nur als Schlüsselindustrie im Bereich Nachhaltigkeit versteht, sondern ihrerseits ständig bestrebt ist, die eigene Produktion noch energie- und ressourcenschonender zu gestalten, sind das gute Nachrichten. Dresden wird einmal mehr seiner Rolle als wichtiger Mikroelektronik- und Innovationsstandort gerecht. Gemeinsam lässt sich viel erreichen, lautet die Erkenntnis. Denn „Teamwork makes the dream work“.

Quelle: Silicon Saxony e.V.